•  
  •  
 
German Journal Sprache Literatur Kultur

Abstract

Der vorliegende Artikel untersucht zwei Frauenfiguren aus der Erzählung ‘Sonja’ der Autorin Judith Hermann, die über ihr Sprechen Einblicke in die Verfasstheit ihres sprachanalog organisierten Unbewussten ermöglichen. Dabei deutet das volle Sprechen der Figur Verena auf eine erfolgreiche Subjektwerdung; das Sprechen der Figur Sonja hingegen auf eine erfolglose, die die Figur jedoch mehrmals mithilfe des namenlosen Ich-Erzählers nachzuholen versucht. Diese Versuche bleiben insgesamt erfolglos und Sonja verschwindet aus dem Leben des Erzählers, der für sie nicht mehr nutzbringend ist. Mithilfe der Arbeiten des Psychoanalytikers Jaques Lacan und des Ethnologen Claude Lévi-Strauss arbeitet der Artikel heraus, dass die Verwendung von Sprache in Hermanns Erzählung ein sprachanalog organisiertes Unbewusstes der Figuren impliziert. Weiterhin spielt Sprache durch diese Organisationsform der Figurenpsyche eine zentrale Rolle in der Konstitution der Figurenidentität. Nach Lacan besteht die menschliche Gesellschaft aus Strukturpositionen, an denen die einzelnen Subjekte zueinander in Beziehung treten, und die den Signifikanten und ihren Beziehungen untereinander ähneln, wie Ferdinand Saussure sie fasst. Die einzelnen Subjekte sind nach ihrer Strukturposition, nicht nach ihren Eigenschaften definiert. Diese Positionierung in dieser Struktur der menschlichen Gesellschaft und somit die Subjektwerdung findet in der Kindheit durch den Übergang aus dem Imaginären in die symbolische Ordnung statt. Wer nicht aus dem Stadium des Lacan’schen Imaginären in das des Symbolischen übertritt und seinen Platz in der Struktur findet kann keine Subjektivität herausbilden. Dies spiegelt sich auf der Oberflächenebene wider: Die subjektlose Figur der Hermann‘schen Erzählung Sonja kann in keine Beziehung zu dem Ich-Erzähler treten, sie bildet keine Identität aus, bleibt dem Gegenüber un(be)greifbar.

Share

COinS